Warum soll man WissKomm machen?

Der Grundsatz aller Wissenschaftler*innen sollte sein:

Nicht alle Forscher*innen müssen in gleichem Maße Wissenschaftskommunikation betreiben – aber alle Wissenschaftlerinnen sollten sich immer wieder darüber Gedanken machen und sich fragen: “Will ich kommunizieren? Und wenn ich es nicht will, was sind meine Gründe dafür?”

Oft haben Forscher*innen Lust zu kommunizieren. Sie trauen sich aber nicht, weil es unbekanntes Terrain ist. Wenn jemand eigentlich will, aber (noch) nicht kann, dann gibt es Schulungsangebote, Tools und Weiterbildungsmöglichkeiten, die das Handwerkszeug verleihen, um den Willen in die Tat umzusetzen.

Wenn jemand jedoch sagt: „Meine wissenschaftliche Karriere hängt davon ab, dass ich meine Wissenschaft publiziere und Finanzierungsanträge schreibe. Da hab ich nebenher nicht auch noch Zeit, einen Twitterkanal oder Blog zu betreuen.“ Dann ist das in Ordnung. Zumindest hat diese Person sich Gedanken gemacht. Und vielleicht ist sie irgendwann offen für Tipps, wie man auch in kurzer Zeit ein wenig Wissenschaftskommunikation schaffen kann.

Derzeit ist es in der Wissenschaft noch der unausgesprochene Common Sense, dass es Standard ist, nicht zu kommunizieren. Forscher*innen, die aktiv kommunizieren, müssen sich in der Scientific Community rechtfertigen, dass sie kommunizieren. Wir brauchen einen Cultural Shift dahin, dass Forscherinnen, die nicht kommunizieren, sich erklären müssen.

Ob und wie man Wissenschaftskommunikation betreibt, sollte also eine bewusste Entscheidung der Forscherinnen sein. Wir wären aber keine leidenschaftlichen Wissenschaftskommunikator*innen, wenn wir nicht ein paar Gründe pro WissKomm hätten:

Grund 1: Die eigene Forschung voranbringen

Die eigene Forschung von Anfang an, also mit der Idee für ein Forschungsvorhaben, zu kommunizieren bringt Vorteile. Denn kommunizieren heißt auch sichtbar machen und wer sichtbar ist, bietet Anknüpfungspunkte, nicht nur für Kolleg*innen. Durch eine gute Vernetzung lassen sich zum Beispiel Mitstreiter finden, Studienteilnehmer*innen akquirieren oder UnterstützerInnen vom Vorhaben überzeugen.

Ein Beispiel vom Silbersalzfestival 2018, ein Gespräch mit Dr. Andreina Kero von der Turku Universität in Finnland Für eine Studie suchen sie und ihr Team Menschen, die im Kindheitsalter Krebs hatten. Die Studie will herausfinden, wie stark die Therapie (Chemotherapie, radiologische Behandlung) die körperliche Gesundheit nach 20/30 Jahren beeinflusst. Dafür braucht die Studie eine große Gen-Kohorte. Die Forscher*innen, haben aber Schwierigkeiten, Proband*innen über die gewohnte Wege
zu finden, also Unirundmails und Aushänge. Unser Vorschlag: sich durch Wissenschaftskommunikation online sichtbar machen. Denn online ist die Zahl potenzieller Proband*innen riesig. Gleichzeitig braucht die Sache, um die es geht, wenig Überzeugungsarbeit fürs Engagement: Krebsüberlebende bekommen die Chance, anderen zu helfen. Mit früher, konstanter und guter Wissenschaftskommunikation könnten sich die Forscher*innen in der Community vernetzen und schneller mehr Proband*innen finden.

Eitelkeit und Konkurrenzdenken sollte man bei der eigenen Wissenschaftskommunikation außen vor lassen. Im Sinne von Open Science kann Wissenschaftskommunikation die Forschung vorantreiben, zum Beispiel indem Forscher*innen von Vorhaben außerhalb ihrer Science Peers erfahren und sich quer vernetzen.

Ein Beispiel aus Magdeburg: Zwei Neurowissenschaftler brauchen Nano-Sensoren, die so klein sind, dass man sie auf Zellgröße implementieren kann. Die gibt es aber nicht auf dem Markt, da zu speziell. Zufällig lernen sie in der Cafeteria ihrer eigenen Uni andere Forscher aus der Materialforschung kennen, die solche Sensoren im Experimentierstatus entwickelt haben. Neurowissenschaftler einerseits, Materialforscher andererseits. Sie hätten sich nie auf einer Fachkonferenz kennengelernt. Jetzt fehlen den beiden Neurowissenschaftlern noch Pipetten, die so klein sind, dass die Sensoren in die Zellen gebracht werden können. Denn die gibt es auch nicht auf dem Markt. Eventuell gibt es ein anderes Labor, das solche Pipetten entwickelt, aber sienoch nicht auf den Markt gebracht hat. Bei der Begegnung in Magdeburg fragten wir die Gruppe, ob sie die Pipetten auch einem Zufallsfund überlassen wollen. Die Antwort ist natürlich: nein, aber was tun? Die Antwort: Kommunikation! Denn mit guter Wisskomm im Netz könnten die Forscher ihre Unicafeteria auf die ganze Welt ausweiten, ergänzende Interessen auftun und zusammen weiter kommen.

Grund 2: Eigene Kompetenzen stärken

Eigentlich haben alle Menschen ein Interesse daran, erzählen zu können, was sie eigentlich machen. Kommunikationskompetenz ist heutzutage ein wichtiger Skill – nicht nur in der Forschung,  sondern auch für Menschen, die doch lieber eine Karriere in der Wirtschaft anstreben und dabei sich und ihre Kenntnisse gut rüberbringen müssen. Wer zum Beispiel die Arbeit im publizistischen Bereich anstrebt oder ein Start-Up gründen will, muss das Pitchen lernen, um einen Verlag, die Wettbewerbs-Jury oder potentielle Investor*innen zu überzeugen.

Nicht jede*r Forscher*in hält sich dabei für einen geborenen Kommunikator: “Ich rede nicht gern vor der Kamera”, “Es fällt mir schwer, Texte zu schreiben” , “Vor Publikum zu sprechen macht mich nervös” …  

Diese Bedenken sind weit verbreitet, können aber durch gezielte Schulungen und Übung im geschützten Rahmen aufgelöst werden. Denn vieles in der Kommunikation ist Handwerk.

Ansonsten besteht natürlich immer die Möglichkeit eines Wechsels auf ein anderes Medium. Wer keinen Blog schreiben möchte, weil das Schreiben der üblichen Publikationen bereits anstrengend ist, kann ja mal das Podcasten ausprobieren?!

Grund 3: Vertrauen zwischen Gesellschaft und Forschung aufbauen

Wer am lautesten oder zuerst schreit, wird gehört. Am Beispiel der aktuellen Debatte um Impfen und Impfgegner zeigt sich: Fehldarstellungen oder Kritik zu widerlegen ist schwieriger, wenn vorher keine Grundlage gelegt wurde. Wenn die Wissenschaftler*innen hingegen das Narrativ in der Hand behalten, haben es Verschwörungstheoretiker*innen schwerer.

Forscher*innen und die Gesellschaft sollten sich als Partner sehen und auf Augenhöhe begegnen. Vorbehalte à la “Die haben keine Ahnung” oder “Die sind zu doof, denen muss ich nichts erzählen” müssen abgebaut werden. Stattdessen sollte es das Ziel der Wissenschaftler*innen sein, ihre Daten und Ergebnisse so aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen, dass sie auch für Laien verständlich sind und als Grundlage für eine Diskussion dienen.

Forscher*innen möchten wir zurufen: “Speak up! Ihr habt Ahnung in dem Bereich! Meldet euch zu Wort, zeigt Expertise!” Sie sollten keine Angst vor Shitstorms haben und sich wegducken, sondern zu ihrer Arbeit und ihrer Meinung stehen. Reclaim the public debate on scientific issues!

Dazu gehört auch, andere Wissenschaftler*innen offen zu konfrontieren: “Nein, meine Forschung sagt was anderes!” oder transparent über Bereiche wie interessengeleitete Forschung zu sprechen.

Grund 4: Reflexion der eigenen Arbeit

Zu kommunizieren bedeutet auch, sich permanent in seiner Tätigkeit zu reflektieren. Wer in die Forschung gehen will, kann schon von Anfang des Studiums an lernen, zu kommunizieren und reflektieren (z.B. über Seminare, eigene Arbeiten).

Wir setzen uns für einen Kulturwandel ein und wünschen uns, dass junge Nachwuchswissenschaftler*innen bereits im Bachelor- und Masterstudium lernen, wie gute WissKomm funktioniert.

Fazit: Egal ob für die persönliche Weiterentwicklung, die des Forschungsprojekts oder für die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Gesellschaft: Aktive Wissenschaftskommunikation birgt viele Vorteile. Wir wünschen uns einen Kulturwandel, bis nicht mehr gefragt wird, warum man WissKomm machen sollte, sondern begründet wird, warum man es nicht machen kann.


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