Strategie Podcasts, Erklärvideos, oder doch lieber ein Text? Formate gibt es viele. Oft fällt die Entscheidung auf das bekannteste Format: aktuell ist das der Podcast oder das Video. Doch nicht jedes Format matcht mit jeder Zielgruppe. Eine Strategie muss her! Wie das gelingt und warum Luhmanns Systemtheorie dabei hilft, analysieren wir für euch.
Kurz analysiert
Die Wissenschaftskommunikation denkt derzeit fast immer in Formaten und Produkten, denn diese sind schnell im Kopf und leicht umgesetzt. Erreichen wir damit wirklich unsere Zielgruppe, mit der wir interagieren wollen? Oft leider nicht. Deshalb braucht die Wissenschaftskommunikation von Anfang an ein strategisches Denken. Sonst laufen die WissKomm Formate ins Leere. Damit das nicht passiert, empfehlen wir einen Blick in die Systemtheorie von Niklas Luhmann. Die Systemtheorie stellt sich die Frage: Wie funktioniert ein System? Das finden wir heraus, indem wir zum Beispiel das System Politik mit seiner Umwelt – also allen anderen Systeme wie Wirtschaft oder Wissenschaft vergleichen. Die Ergebnisse helfen uns eine Strategie aufzubauen, die zu einem sinnvollen Produkt führt.
Podcasts gehören aktuell zu den beliebtesten Formaten. Corona steigerte sicherlich deren Beliebtheit. Doch ist ein Podcast immer eine gute Idee? Erreicht der Podcast die Zielgruppe tatsächlich? Wird eine Interaktion getriggert? Eine Community aufgebaut? Vorneweg: Podcast als Format kann sehr sinnvoll sein – aber eben nicht immer. Warum, werden wir mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann analysieren. Der einfache Grund: sie hilft die Wissenschaft in Systemen zu denken und dadurch besser zu kommunizieren.
Kommunikation ist das Kernelement der Systemtheorie von Niklas Luhmann. Sein Leitgedanke: Gesellschaft ist Kommunikation. Jedes System, auch das System Wissenschaft wird durch Kommunikation erzeugt und erhalten. Wichtig ist für die Systemtheorie die Unterscheidung zwischen System und Umwelt. Näheres dazu in der INFO.
INFO – Die Welt in Systemen
Der Soziologe Niklas Luhmann beschreibt mit seiner Systemtheorie die Gesellschaft als Ganzes . Einfach gesagt mit den Begriffen: System und Umwelt. Nach Niklas Luhmanns Ansicht ist beispielsweise die Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft ein autopoietisches, selbst referentielles System. Die Wissenschaft muss nicht ihre Forschungsergebnisse kommunizieren. Sie kann trotzdem qualitativ hochwertig forschen. Systeme unterscheiden sich nur in Abgrenzung zueinander. Die Umwelt spielt eine Rolle. Betrachtet Niklas Luhmann ein System (Wissenschaft) werden alle anderen Systeme (Wirtschaft, Politik, etc.) zur Umwelt für das System. Luhmann vergleicht die Wissenschaft mit der Umwelt also der Wirtschaft, Politik und anderen Systemen. Damit beschreiben wir ein System. Zum Beispiel die Wissenschaft: Sie strebt neue Erkenntnisse an, die in erster Linie nicht dafür gemacht sind, Geld zu verdienen. Wohingegen das Wirtschaftssystem mit Geld effizient umgehen muss. In der Politik spielt Geld in Form von Steuereinnahmen eine Rolle. Durch den Bezug zur Umwelt, verstehen wir wie ein System funktioniert. Wichtig ist, wie sich das System selbst beschreibt. Angewendet auf die Wissenschaft bedeutet das: Die Ergebnisse der Forschenden müssen falsifizierbar sein.
No more thinking in products
Warum ist die Systemtheorie für die Wissenschaftskommunikation so bedeutend? Zuallererst – und das ist wohl die wichtigste Feststellung, erübrigt die Anwendung der Systemtheorie das Denken in Formaten und Produkten. Warum empfiehlt es sich, so nicht mehr zu denken?
„Strategy first, product second.“
Greifen wir das Beispiel von Beginn auf: Podcasts. Ihre Themenbreite ist groß. Nur weil es gerade angesagt ist, muss das Format noch lange nicht wirksam sein. Viele Organisationen oder Unternehmen vergessen vor der Produktion ihres Podcasts oder anderen Formaten eine Analyse durchzuführen: Infizierte ich überhaupt eine Zielgruppe? Falls ja, was möchte die Zielgruppe wirklich? Und wie erreichen wir sie? Format wie Podcasts sind häufig selbst referentiell. Nicht selten dienen sie dem Zweck, sich selbst zu bestätigen. Sie geben vor Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Kommunizieren aber gar nicht mit der Umwelt. In Formate zu denken, hilft daher erst einmal wenig – besser ist, sich eine passende Strategie zu entwickeln: nach dem Motto „strategy first, product second“.
„Die Systemtheorie wird zum Grundgerüst der Wissenschaftskommunikation.“
Eine sinnvolle Strategie entwickelt sich mithilfe der Systemtheorie. Sie wird zum Grundgerüst der Wissenschaftskommunikation. Folgende Fragen sollten wir dabei beachten und zwar in Bezug auf das System, welches unsere Wissenschaftskommunikation erreichen soll:
- Inwiefern grenzt sich das System von der Umwelt ab?
- Wie beschreibt sich das System selbst?
- Wie kommuniziert das System und grenzt sich damit von der Umwelt ab?
- Wie erhält die Kommunikation das System in Abgrenzung zur Umwelt?
Diese sehr abstrakten Fragen dienen einer ersten Annährung zum Verständnis des Systems. Egal ob es um bildungsferne Schichten, Politiker oder Jugendliche geht. Sinnvoll ist immer die Frage: wie funktionieren die Teilsysteme der Gesellschaft? Einfacher geht es, sich Stakeholder herauszusuchen, die für die einzelnen Systeme stehen wie zum Beispiel Bürgervereinigungen. Damit entfernen wir uns von dem Gedanken für eine allgemeine Öffentlichkeit zu kommunizieren. Das funktioniert sowieso nicht. Wir können nicht alle auf einmal erreichen. Erinnern wir uns an Luhmanns Systemtheorie zurück: Systeme sind komplex. Nur durch ihre Analyse können wir sie verstehen und damit eine durchdachte Kommunikationsstrategie entwickeln. Wichtig dabei ist es, in der Kommunikation, diese Komplexität zu reduzieren, um verstanden zu werden und dabei gleichzeitig die Komplexität des Systems Wissenschaft zu erhalten.
„Gute Wissenschaftskommunikation ist komplexitätserhaltende Komplexitätsreduktion.“
INFO – Kommunikation vereinfacht
System und Umwelt sind die wichtigsten Begriffe der Systemtheorie. Was ist mit den Menschen, die diese Systeme prägen? In der Theorie spielen sie keine Rolle. Viel wichtiger ist Kommunikation. Diese erzeugt, erhält und grenzt ein System von seiner Umwelt ab. Kommunizieren wir über wissenschaftliche Erkenntnisse, erhalten wir das Wissenschaftssystem. Gleichzeitig grenzen wir uns von der Politik ab, die über Gesetze diskutiert. Kommunikation reduziert außerdem die Komplexität eines Systems. Immer wenn wir kommunizieren, lassen wir dabei einen anderen Aspekt bei Seite. Sprechen wir über die Falsifizierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse, lassen wir dabei die intersubjektive Nachvollziehbarkeit als methodischen Prozess sowie andere Systemeigenschaften aus.
Bevor wir überhaupt anfangen zu planen, lehnen wir uns zurück. In dieser Zeit überlegen wir: Wer soll angesprochen werden?
Steht die Zielgruppe fest, kommt Luhmanns Systemtheorie ins Spiel. Eine Analyse des Systems bildet die Basis unserer Strategie. Erst wenn die Strategie entwickelt ist, kommt das Produkt. Eine Strategie sollte langfristig angelegt sein. Sie muss anpassungsfähig sein, um auf Pertubationen (“Störungen”) von der Umwelt auf das System Wissenschaft flexibel und adaptiv reagieren zu können. Stets zu überprüfen ist also notwendig. Dann sehen wir auch, ob ein Podcast tatsächlich wirkt – wenn wir uns dafür entschieden haben. Und wir merken auch, wenn er einmal nicht mehr funktionieren sollte.
Quellen:
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt. Suhrkamp.
Rasch, William (2013): Soziale Systeme. In: Horster, Detlef (Hrsg.): Soziale Systeme. Akademie Verlag
Weber, Niels (2013): System und Umwelt. In: Horster, Detlef (Hrsg.): Soziale Systeme. Akademie Veralg
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